Sauerteig füttern Das Anstellgut pflegen

Von meinem Sauerteig steht immer eine Portion als Anstellgut im Kühlschrank. Einmal die Woche muss er aufgefrischt werden. Hier beschreibe ich, wie ich meine Anstellgut-Sauerteige aus Roggen, Weizen oder Dinkel füttere.

Inhaltsverzeichnis

Du brauchst 30 Gramm Vollkornmehl und 30 Gramm warmes Wasser mit einer Temperatur von etwa 50 – 55 °C  …

… sowie 15 Gramm vom alten Sauerteig-Anstellgut
aus dem Kühlschrank (5 °C).

Das Mehl zum Wasser geben,
den Sauerteig hinzufügen
und gut verrühren.

Jetzt bei leicht warmer Umgebungstemperatur bei ca. 20 – 25 °C reifen lassen.
Die Reifung wird zwischen 4 und 6 Stunden dauern. Damit kann fast nichts schiefgehen. Mehr Details und Hintergrundwissen findest Du in den nächsten Abschnitten!

Temperaturen für Sauerteige

Temperaturen für Roggen-Anstellgut

Für ein neues Roggen-Anstellgut wird eine Wassertemperatur von 54 °C benötigt,
wenn das Mehl etwa 21 °C warm ist und das Anstellgut mit 5 °C aus dem Kühlschrank kommt.
Die Temperatur des neuen Roggen-Anstellguts wird dann ca. 31 °C betragen.
Nach dem Anrühren leicht warm für etwa 3 – 4 Stunden bis zur Reife stehenlassen.
Die Temperatur soll in der Umgebung etwa 20 – 25 °C betragen.

Temperaturen für Weizen-Anstellgut und Dinkel-Anstellgut

Für Weizen- oder Dinkel-Anstellgut wird eine Wassertemperatur von 51 °C benötigt,
wenn das Mehl etwa 21 °C warm ist und das Anstellgut mit 5 °C aus dem Kühlschrank kommt.
Die Temperatur des neuen Ansatzes wird dann ca. 29 – 30 °C betragen.
Nach dem Anrühren leicht warm für etwa 3 – 4 Stunden bis zur Reife stehenlassen.
Die Temperatur soll in der Umgebung etwa 26 – 27 °C betragen.

Wie genau muss ich Temperaturen einhalten?

Es genügt völlig, wenn das Wasser ± 0,5 °C wärmer oder kälter ist als rechnerisch benötigt. Man muss davon also keine Wissenschaft machen, denn die fertige Sauerteig-Temperatur wird noch von anderen Faktoren beeinflusst: Ein frisch abgewaschenes Glas ist wärmer als eines von der kühlen Fensterbank. Der Kühlschrank hat nicht immer genau 5 °C, und das Mehl nicht immer genau 21 °C.

Was passiert während der Sauerteig-Reifung?

Bakterien und Hefen verarbeiten jetzt die im Mehl enthaltene Stärke, Proteine und Schalenanteile zu Milch- und Essigsäuren und Kohlenstoffdioxid. Durch die Gasbildung beginnt der Sauerteig-Ansatz zu wachsen. Die Reife des Sauerteigs ist dann erreicht, wenn sich der Ansatz in etwa verdoppelt hat.

Während der Abkühlung von den anfänglichen 29 – 31 °C auf die Umgebungstemperatur werden alle relevanten Temperaturbereiche für die Bildung von Milchsäure, neuen Hefen und Essigsäure überstrichen. Das Mengenverhältnis unter diesen dreien bestimmt Backtrieb, Aroma und Brotgeschmack. Der Verlauf der Abkühlung bestimmt dabei die Anteile: Beträgt die Raumtemperatur eher 20 °C, macht sich bei Roggensauerteigen eine angenehme Säure bemerkbar, hat die Umgebung eher 25 °C, wird der Sauerteig milder; bei Weizen- und Dinkel-Sauerteigen bleibt die Teigtemperatur länger im Bereich um 28 °C, in dem Hefen gut gedeihen.

Foto-Galerie: Wie ein Sauerteig wächst

Die folgende Bilderserie zeigt, wie der Sauerteig wächst und sich in weniger als 4 Stunden verdoppelt oder gar verdreifacht. Nach zwei Stunden lohnt es sich, ab und zu mal einen Blick auf das Glas zu werfen: Auf diese Art wird man mit der Zeit ein Gefühl dafür entwickeln, wann die Reife erreicht sein wird. Spätestens wenn die Verdoppelung erreicht ist, kommt der aufgefrischte Sauerteig in den Kühlschrank.

Das neue Sauerteig-Anstellgut

Der reife, knapp verdoppelte Ansatz ist jetzt das neue Anstellgut. Man kann nun gleich einen Teil des neuen Anstellguts für einen neuen Brot-Sauerteig verwenden. Das neue Anstellgut kommt in den Kühlschrank. Die kühle Temperatur bremst die Stoffwechselprozesse bis zum nächsten Backen oder „Weiterfüttern“.

Was passiert mit dem alten Sauerteig?

Das alte Sauerteig-Anstellgut, von dem vorhin 15 g abgenommen wurden und das jetzt die „Elterngeneration“ darstellt, wird ebenfalls im Kühlschrank als „Backup“ gelagert. Die „Großelterngeneration“, aus dem die aktuelle Elterngeneration gezüchtet wurde, kann entsorgt oder als Geschmacksgeber zum nächstbesten Brotteig gegeben werden.

Wie oft muss man seinen Sauerteig füttern?

Für den Hausgebrauch ist es ausreichend, wenn der Sauerteig einmal in der Woche aufgefrischt wird. Lediglich in den ersten Monaten nach einer Neuzüchtung ist es empfehlenswert, das Anstellgut so oft wie möglich zu füttern. Mit jeder Auffrischung wird der Sauerteig kräftiger; die Reifezeit verkürzt sich immer mehr.

Je kühler das Anstellgut im Kühlschrank gelagert wird, desto länger kann der Abstand zwischen den Fütterungen sein; je milder die Lagertemperatur, desto mehr „verhungern“ die Mikroorganismen – die Reifezeit verlängert sich. Durch mehrmaliges Füttern kann man das Anstellgut wieder in seine alte Form bringen.

Praxistipp: Ich selbst habe mir für jede meiner Sauerteig-Sorten eine eigene Termin-Erinnerung für „Alle vier Tage“ eingerichtet, und zwar an aufeinanderfolgenden Tagen. Das ist zwar ein sportlicher Takt, aber im Familienalltag muss ich ihn ja nicht sklavisch befolgen. Wenn es einmal zwei oder drei Tage später wird, beträgt die Standzeit immer noch nur eine Woche.

Das richtige Verhältnis von Mehl, Wasser und Sauerteig

Das Mischungsverhältnis wird oft in der Reihenfolge Anstellgut / Mehl / Wasser angegeben. Zum „Füttern“ bei der Auffrischung eignet sich das oben beschriebene Verhältnis 1:2:2. Der Reife-Prozess dauert dann ungefähr vier Stunden und passt damit genau in den Vormittag oder den Nachmittag. Sauerteige mit viel Power kommen mit weniger als vier Stunden aus, jüngere oder überlagerte Sauerteige reifen gerne auch bis zu sechs Stunden.

Auch „dünnere“ Mischungen benötigen mehr Zeit; wir können das nutzen, um den Backtag zu planen: Ein mit frischem Anstellgut morgens angesetzter Sauerteig-Ansatz mit 1:5:5 kann schonmal bis in den Nachmittag hinein reifen. Wenn der Sauerteig über Nacht reifen soll, wird oft das Verhältnis 1:10:10 verwendet. Aber auch hier gilt: Wenn ein gut gepflegtes Anstellgut viel Kraft in den Sauerteig-Ansatz bringt, könnte es sein, dass man morgens sehr früh aufstehen muss.

Über die Bilder · Technische Daten

Die Bilderserie „Wie ein Sauerteig wächst“ wurde im August 2021 auf Film fotografiert und selbst entwickelt.
Nikon F-801s · Micro-Nikkor AF 60mm/F2.8 D · Digitalisat vom Negativ
Ilford FP4 plus @ 100 · Entwicklung 09:00 min · Kodak HC-110 (Verdünnung B)